Gendern und welche Auswirkungen es auf Übersetzungen hat

Gendern – ein Thema, das viele Menschen seit geraumer Zeit umtreibt, vor allem natürlich auch in unserer Branche. Es gibt viele starke Meinungen, viel (Halb-)Wissen und viele Möglichkeiten. Ein Thema, das polarisiert und Bibliotheken füllen kann. In diesem Blog-Beitrag möchten wir Ihnen einen kurzen Einblick in die vielfältigen Aspekte, die mit diesem zusammenhängen, geben.

Was erwartet Sie also in diesem Text? Zunächst geben wir einen kurzen Überblick darüber, was genau sich hinter dem Begriff „Gendern“ verbirgt, welche unterschiedlichen Formen es gibt und, um die Brücke zum Thema Übersetzungen zu schlagen, geht es letztlich um die Frage, wie in anderen Sprachen damit umgegangen wird.

Hinter den Bezeichnungen „gendergerechte Sprache“, „gendersensible Sprache“, „genderinklusive Sprache“ (um nur ein paar Beispiele zu nennen), steht der Gedanke, so zu formulieren, dass sich alle Menschen eingeschlossen fühlen und Chancengleichheit geschaffen wird. Neu ist diese Idee nicht, bereits seit den 1970er Jahren beschäftigen sich die Sprachwissenschaft und die Sozialwissenschaft mit der gendergerechten Sprache. Denn es wurde früh festgestellt, dass Sprache und außersprachliche Realität eng miteinander verknüpft sind. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Ablehnung einer Petition um Gewährung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen in der Schweiz. Im Jahr 1928 scheiterte diese mit der Begründung, dass der Begriff „Schweizer“ nur Männer meint und Schweizer Frauen, im Gegensatz zu diesen, somit laut Gesetz nicht zur Wahl berechtigt sind.

Es ist nur eines von vielen Beispielen, die aufzeigen, dass ein bewusster Umgang mit Sprache essenziell ist. Das Thema rückte im Laufe der Jahre immer mehr in den Fokus. Es umfasst nicht nur offensichtliche Formen wie die Entscheidung gegen das generische Maskulinum (z. B. „die Übersetzer“), sondern geht viel tiefer. Anredeformen wie „Fräulein“, Redewendungen wie „eine Milchmädchenrechnung machen“ oder „Herr der Lage sein“ sowie gängige Formulierungen wie „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ zeigen, wie umfassend das Thema ist. Seit 2018 gibt es in Deutschland die dritte Geschlechteroption „divers“ und nicht erst ab diesem Zeitpunkt wird verstärkt auch über eine mehrgeschlechtliche Sprache diskutiert. Immer selbstverständlicher begegnen uns im Alltag Beispiele für eine gendersensible Sprache, sowohl im geschriebenen als auch im gesprochenen Bereich.

Was bei der Debatte um das Gendern besonders auffällt, ist die Emotionalität, mit der diese geführt wird. Kaum jemand hat keine Meinung und häufig wird diese sehr vehement vertreten. Institutionen und Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie damit umgehen sollen. Es ist wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, die Pro- und Kontraargumente abzuwägen und eine bewusste Entscheidung zu treffen. Wie diese ausfällt, liegt ganz bei Ihnen, sie sollte jedoch auf Grundlage der wichtigsten Informationen getroffen werden. Wie wollen Sie als Unternehmen auftreten? Welche Werte sind Ihnen wichtig? Welche Kunden oder Kundinnen möchten Sie ansprechen? Hilfreiche Fragen sind auch: Wie treten Mitbewerber auf? Was ist in Ihrer Branche üblich?

Entscheiden Sie sich für das Gendern, haben Sie im Deutschen grob gefasst drei Möglichkeiten:

  • die Beidnennung (Übersetzerinnen und Übersetzer),
  • die Neutralisierung (Übersetzende),
  • verschiedene Sonderzeichen (Übersetzer:innen, Übersetzer*innen, Übersetzer_innen).

Für alle Formen gibt es Argumente, die für oder gegen sie sprechen. Die Beidnennung ist weit verbreitet und sticht beim Lesen eines Textes kaum hervor. Sie bezieht sich jedoch auf das binäre Geschlechtersystem und schließt Menschen, die sich diesem nicht zuordnen, nicht mit ein. Die Neutralisierung ist platzsparend und stört den Lesefluss nicht. Rein sprachlich kann diese Verwendung des Gerundiums kritisch gesehen werden, da sie strenggenommen impliziert, dass jemand gerade im Begriff ist, etwas zu tun. Die Schreibweisen mit Sternchen, Unterstrich oder anderen Sonderzeichen werden immer gängiger und schließen alle Menschen ein. Das bedeutet, dass niemand aufgrund seines Geschlechts, seiner Sexualität oder anderer Merkmale ausgeschlossen wird. Diese Formen fallen in Texten teilweise stark ins Auge und können zu einer Fokusverschiebung führen.

Was für die deutsche Sprache gilt, kann in anderen stark variieren beziehungsweise nicht möglich oder nötig sein. In einigen Sprachen stellt sich die Frage nach genderinklusiven Formulierungen weniger, weil sie beispielsweise aufgrund ihrer grammatikalischen Voraussetzungen nicht zwischen maskulinen und femininen Formen unterscheiden. Dazu gehören beispielsweise Estnisch, Finnisch, Türkisch und Ungarisch. Haben Sie sich im Deutschen jedoch für die Verwendung einer inklusiven Sprache entschieden, empfehlen wir, soweit möglich, diese auch in Ihren Übersetzungen zu nutzen, um den einheitlichen Auftritt Ihrer Marke zu gewährleisten und Kundinnen und Kunden weltweit gleichermaßen anzusprechen. Im Folgenden wird ein Überblick über einige Optionen in verschiedenen Sprachen gegeben. Wichtig ist in diesem Kontext, dass es sich dabei nur um einen Einblick in die Thematik handelt und gängige Varianten präsentiert werden. In allen der genannten Sprachen gibt es weitere Formen und in allen Ländern gibt es jeweils voneinander abweichende Meinungen.

Im Englischen fällt vor allem der Gebrauch der geschlechterspezifischen Pronomen auf. Wird auf eine geschlechtergerechte Sprache geachtet, können beide genannt werden („he or she“) und auch die nicht-binäre Form „they“ wird immer gängiger. Für Substantive, die ursprünglich eindeutig männlich waren, gibt es neutrale Alternativen. So kann anstelle des „fireman“ auch von „firefighter“ und anstelle von „chairman“ auch von „chairperson“ gesprochen werden. Umgekehrt gilt das natürlich auch für eindeutig weibliche Berufsbezeichnungen: Aus der „stewardess“ wird so ein oder eine „flight attendant“.

Interessant ist der Umgang mit diesem Thema im Französischen. In dieser Sprache gibt es aufgrund ihrer Struktur viel mehr Stellen, an denen ein Genus ersichtlich ist. Es zeigt sich nicht nur in Berufsbezeichnungen, Substantiven und Pronomen, vielmehr müssen beispielsweise auch Verben oder Adjektive angepasst werden. Hinzu kommt, dass Frankreich, im Gegensatz zu Deutschland, mit der Académie française über eine sprachpolitische Institution verfügt, die Regeln für die Verwendung der Sprache festlegt. Sie sprach sich mehrfach gegen eine Feminisierung von Berufsbezeichnungen und der französischen Grammatik aus, beugte sich jedoch der tatsächlich in Frankreich verwendeten Sprache und gestattete ab 2019 auch eine umfassende Verwendung femininer Berufsbezeichnungen. Anstelle von „professeur“, eine Bezeichnung, die bisher sowohl für „Lehrer“ als auch für „Lehrerin“ verwendet wurde, ist nun auch die weibliche Form „professeure“ gestattet. Die Diskussion darüber, wie und in welchem Umfang Sprache verändert werden sollte, geht in Frankreich jedoch nicht so weit wie in Deutschland. Häufig wird nur über die Dualität von männlichen und weiblichen Formen gesprochen. Sprachvarianten, die alle Geschlechter miteinbeziehen, finden bisher selten einen Platz in der Debatte.

Im Spanischen ist das Thema bisher vor allem im Bereich der Berufsbezeichnungen relevant. Geläufig ist mittlerweile die Beidnennung („los traductores y las traductoras“) und für bisher ausschließlich männliche Berufsbezeichnungen wurden weibliche Pendants gefunden, sodass heute einigen Firmen auch eine „jefa“ vorsteht. Kreative Lösungen wie die Verwendung des @-Zeichens als Kombination aus dem „o“, das in vielen maskulinen Formen vorkommt, sowie dem „a“ der weiblichen Nomen, werden in der Schriftsprache zwar genutzt, sind jedoch noch nicht sehr weit verbreitet. Soll Abstand von der binären Geschlechterzuordnung genommen werden, kann anstelle des @-Zeichens auch ein e oder x verwendet werden.

Das Italienische zeichnet sich dadurch aus, dass das Geschlecht sowohl bei Artikeln, Adjektiven, Pronomen und Nomen ersichtlich ist. Es müssen also, wie bei anderen romanischen Sprachen, vergleichsweise viele Änderungen vorgenommen werden, soll auf gendergerechte Formulierungen geachtet werden. Beim Italienischen zeigt sich auch, wie wichtig die Wahl der korrekten Subsprache ist. Achten die italienischsprachigen Schweizer und Schweizerinnen verstärkt auf geschlechtersensible Formulierungen, wird in Italien bis heute vor allem das generische Maskulinum verwendet. Dies hängt neben kulturellen Aspekten unter anderem auch mit der oben erwähnten komplexen Sprachstruktur zusammen. Die Verwendung ausschließlich männlicher Formen wird weniger als problematisch wahrgenommen, als dies beispielsweise in Deutschland der Fall ist. Möchten Italiener und Italienerinnen jedoch auf eine gendergerechte Sprache achten, haben sie verschiedene Möglichkeiten. Dazu gehören zum Beispiel die Beidnennung („traduttore e traduttrice“), unterschiedliche Vermeidungsstrategien (wie etwa die Verwendung des Passivs oder die Wahl von Synonymen, die keinem Geschlecht zugeordnet werden können) sowie die Verwendung von Schreibweisen, die beide grammatikalischen Endungen mit einbeziehen (z. B. „il/la cittadino/cittadina“). Diese letztgenannten Variante ist in Italien jedoch eher unüblich, da sie im Hinblick auf den Lesefluss als störend wahrgenommen wird.

Neben diesen Sprachen, in denen bereits bestehende maskuline und feminine Formen kombiniert werden, gibt es auch solche, die ganz neue Wege gehen. So gibt es im Schwedischen seit einigen Jahren ein drittes Personalpronomen, das mittlerweile weit verbreitet ist. Neben dem männlichen „han“ („er“) und dem weiblichen „hon“ („sie“) wurde im Jahr 2015 auch die neutrale Form „hen“ offiziell in die „Svenska Adademiens Ordlista“, die in etwa mit dem deutschen Duden vergleichbar ist, aufgenommen. „Hen“ kann für Menschen verwendet werden, die sich selbst keinem der beiden Geschlechter zuordnen. Zugleich ist die Form eine praktische Alternative, wenn der Sprecher oder die Sprecherin nicht weiß, ob es sich bei der Person, um die es geht, um einen Mann oder eine Frau handelt. Umständliche Formulierungen werden somit vermieden. Auch mit Berufsbezeichnungen geht das Schwedische anders um als viele andere Sprachen. Zwar gibt es für zahlreiche Berufe sowohl eine weibliche als auch eine männliche Bezeichnung, diese sind teilweise jedoch nicht üblich. Dies gilt für beide Richtungen. So ist die weibliche Form „lärarinna“ für „Lehrerin“ der heute für alle Lehrkräfte gängigen Bezeichnung „lärare“ gewichen. Zeitgleich wird sowohl weibliches als auch männliches Pflegepersonal als „sjuksköterska“ („Krankenschwester“) bezeichnet. Für wieder andere Berufsbezeichnungen haben sich neutrale Formen herausgebildet (beispielsweise „polis“ anstelle des früher gängigen „polisman“).


Wie dieser kurze Überblick zeigt, gibt es je nach Land und Sprache verschiedene Herangehensweisen. Aufgrund unserer Erfahrung mit Übersetzungen in über 80 Sprachen haben wir einen guten Einblick in das Thema Gendern und die unterschiedlichen Sichtweisen und Möglichkeiten. Es ist ein Bereich, in dem viel im Wandel ist, denn Sprache entwickelt sich stetig weiter. Umso wichtiger ist es, Veränderungen im Blick zu behalten, abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie sich unschlüssig sind, welche Formen gängig sind und wie Sie Ihre Zielgruppe bestmöglich erreichen, sprechen Sie uns gerne an.